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SPD Ortsverein Trier - Heiligkreuz

Karl Diller: Erster Auftritt nach zehn Jahren

Ortsverein


Achim Bell und Karl Diller (Foto: E.Wolf)

Karl Diller: Erster Auftritt nach zehn Jahren

Das SPD-Urgestein diskutiert mit seinem Ortsverein über die Zukunft der Sozialdemokratie

Jahrzehntelang vertrat Karl Diller die Region Trier-Saarburg in Landtag und Bundestag, elf Jahre lang war er Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. 2009 zog er sich aus der Politik zurück. Jetzt trat er erstmals seit zehn Jahren wieder an die Öffentlichkeit, wenn auch im kleinen Rahmen: Sein „neuer“ Ortsverein hatte ihn gebeten, seine Sicht zur Situation der SPD in einer sich verändernden Gesellschaft zu beschreiben. Das tat er erwartungsgemäß mit klaren sozialdemokratischen Akzenten – und erstaunlicher Jugendlichkeit:

Die Sozialdemokraten müssen uns mehr um diejenigen kümmern, die durch Veränderungen wie Braunkohleausstieg und digitalen Wandel ihre Jobs zu verlieren drohen. Neue Arbeitsplätze entstehen nicht notwendigerweise dort, wo die alten verschwinden. Die SPD muss den Kontakt zu denen wieder herstellen, die ihre Zukunft und die ihrer Familien bedroht sehen. So das Plädoyer des langjährigen Politikers. Unausgesprochen stand im Raum: Sonst profitieren die, denen die Regeln eines sozialen Rechtsstaats letztlich egal sind!

Diller beklagte die notorische Zerstrittenheit in der Bundespartei, die das Erreichte immer gerne klein rede. Beispielhaft verwies er auf die jüngste Erhöhung des BAFöG-Satzes. „Wer spricht darüber?“ Die Ausbildungsförderung ist ein „Kind der SPD“, eingeführt in den 1970er Jahren, eine große Erfolgsgeschichte, die dafür gesorgt hat, dass Kinder aus Arbeiterfamilien und solchen mit wenig Einkommen dennoch studieren konnten – und können. „Wer solche Erfolge nicht mit Stolz vertritt, braucht bei Wahlen nicht anzutreten.“ Ganz anders sehe dies in der SPD von Rheinland-Pfalz aus. „Hier gilt noch, was die Mehrheit entschieden hat, auch wenn es einer Minderheit nicht genügt.“

Die Gesellschaft hat sich geändert und mit ihr die Schwerpunkte der Politik. Arbeitnehmer/innen sehen sich nicht mehr als „kleine Leute“ und fühlten sich als solche nicht wirklich ernstgenommen. Wichtig sei, so Karl Diller, den Leuten zuzuhören: „Zuhören, erklären, aufnehmen und dann machen!“ müsse der Leitspruch sein. Die SPD müsse überdies wieder einen stärkeren Zugang zu den sozialen Brennpunkten finden. Gleichzeitig solle sie auch in Zukunft die Partei des Bildungsaufstiegs sein, nicht nur für Studenten, sondern auch für die Laufbahnen der Handwerksmeister, Techniker, Ingenieure und Leitende Angestellte. Früher sei man für die dagewesen, die wollten, dass es ihren Kindern mal besser geht. Dieses Bedürfnis wieder zu beleben und zu ermutigen könne auch ein politischer Impuls werden.

Zu Forderungen nach einem Ausscheiden aus der Berliner Koalition im Bund sagte der frühere Staatssekretär: „Raus aus der Koalition löst kein einziges Problem.“ Er habe als Abgeordneter über 20 Jahre lang die Oppositionsbank drücken müssen, bevor die SPD schließlich mit Gerhard Schröder den Bundeskanzler stellen konnte. „Wer in der Opposition sitzt, schreibt fortwährend schlaue Papiere, die im Mülleimer landen. Das ist auf die Dauer nur frustrierend.“

Die SPD brauche dringend mehr Einigkeit – und eine starke Führung. Jedes Parteimitglied müsse verstehen, dass der politische Gegner nicht in der eigenen Partei sitze. Mehr Fröhlichkeit und Zuversicht in die Lösbarkeit der Probleme und eine klarere, einfache Sprache gäben positivere Signale.

Eine ungeklärte Haltung zur Migrationspolitik, die bei manchen zu einem verletzten Heimatgefühl, bei anderen zu Furcht vor aggressiven politischen Gruppierungen führe, sieht Diller als Manko: Hier sei die SPD derzeit nicht, was Kurt Beck immer als „nah bei de Leut‘“ bezeichnete. Beim Thema Klimakrise erkennt er „das neue Verhetzungspotenzial der Rechtsaußen“. Daher spricht er sich für eine Politik aus, die deutliche sozialdemokratische Akzente setzt, indem die Belastungen für Pendler und Mieter deutlich abgemildert werden, und für Umrüstungen auf umweltfreundlichere Fahrzeugen und Heizungen spürbare Förderung gewährleistet wird. Diese Politik muss nach Ansicht des langjährigen Abgeordneten stärker emotional vermittelt werden.

Nach dem Vortrag fand eine lebhafte Diskussion mit den 20 Besucher/innen statt. Am Ende gab es viele lobende Worte für eine gelungene politische Debatte, wie man sie gerne öfter führen würde. Jörg Brockhoff, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Pfalzel, sprach von einer „Super-Veranstaltung, die mehr Teilnehmer verdient hätte.“ Der Heiligkreuzer Vorsitzende Joachim Bell freute sich dennoch: „Besser so als umgekehrt.“ Vielleicht kommen dann zur nächsten Diskussion wieder ein paar mehr.